Bericht (von Nils)

Um 04:30 Uhr in der Früh klingelt der Wecker. Wach bin ich vor Anspannung schon lange. Es ist lediglich das Zeichen, daß endlich der Tag beginnt, auf den ich mich viele Monate lang vorbereitet habe. Nach einem kurzen Frühstück führt der erste Weg in die Wechselzone, wo die Räder bereits am Vortag eingecheckt wurden. Noch in der Dunkelheit bestücken 2.500 Athleten ihr Rad mit Radschuhen, Trinkflaschen, Powerriegeln, Salztabletten und allem was man sonst noch so braucht für eine 180 km lange Radstrecke. Nach den letzten Checks begibt sich der Strom von Teilnehmern und Zuschauern nach und nach in Richtung Strand. Die Bucht von Alcudia ist mittlerweile in ein rotes Licht getaucht. Auf dem Meer weit draußen sind bereits die Markierungsbojen für die Schwimmstrecke zu erkennen. Die Anspannung steigt mit jeder weiteren Sekunde. Während sich die Athleten ihren Neoprenanzug anziehen und sich fokussiert in den Startbereich begeben, feiern die Zuschauer bei entsprechender Musik eine Strandparty. Kurz vor 07:30 Uhr wird es dann still. Man hört nur noch das Meerrauschen. Der Count Down ertönt — und dann endlich der erlösende Startschuss.

Blockweise rennen die Athleten vom Strand ins Wasser. Zu bewältigen sind 3,8 km mit einem kurzen Landgang nach etwa zwei Drittel der Strecke. Da man bis weit ins Meer hinein stehen kann, haben zahlreiche Zuschauer eine Kette im Wasser gebildet. Man kann die Anfeuerungsrufe so nah wie sonst nie beim Schwimmen aufnehmen. Ich profitiere von dieser Atmosphäre ungemein. Bereits nach 01:05 Std steige ich mit persönlicher Bestzeit aus dem Wasser- und natürlich einem breiten Grinsen :-D

Trotz der Euphorie beim Schwimmausstieg ist aber volle Konzentration auf den Wechsel gefragt. Man muss so schnell wie möglich vom Strand in die Wechselzone laufen, unter 2.500 Wechselbeuteln seinen eigenen finden, den Neoprenanzug ausziehen und im Beutel deponieren, Startnummer und Helm anziehen, nebenbei schon eine Banane und einen Powerriegel essen, sein Rad in der riesigen Wechselzone finden und dann so schnell wie möglich in Richtung Ausgang laufen. Dabei legt man insgesamt ca. 700m zurück im Kampf vielen anderen um die kürzesten Wege. Für all das hab ich nur 3:27 Min gebraucht und ich beim teilweise unbeliebt gemacht ... Doch wenn die so rumtrödeln ...

Die anschließende Radstrecke auf Mallorca kann man in zwei Abschnitte gliedern. Bis Kilometer 115 ist es wellig und sehr windig. Da bereits im ersten Teil schon über 800 Höhenmeter zu überwinden sind, ist die Taktik auf dem Rad entscheidend. Betont locker starte ich wie geplant und leg den Fokus zunächst auf die Nahrungsaufnahme. Ich muss sogar eine zweite Ladung an Riegeln und Kartoffeln aufnehmen bei km 105. Das Ziel im ersten Abschnitt nicht so schnell zu fahren wie irgend möglich, sondern die negative Energiebilanz so gering wie möglich zu halten für die noch kommenden Stunden und nebenbei das Radfahren nicht zu vergessen.

Im zweiten Abschnitt wird es dann technisch und konditionell deutlich anspruchsvoller. Einem 8 km langen Anstieg hoch zum Kloster Lluc, folgen mehrere kleinere Anstiege und schließlich eine extrem kurvenreiche Abfahrt. Durch die vielen harten Bremsmanöver bei hoher Geschwindigkeit riecht es nach verbranntem Bremsbelag. Die Gradwanderung aus spätem anbremsen und fast gar keiner Bremsleistung mehr, bedingt durch die überhitzen Carbonfelgen, macht diesen Teil der Strecke zu einem Drahtseilakt. Doch auch danach sind erst 140 km zurückgelegt. Auf den letzten extrem windanfälligen 40 km zeigt sich dann wer taktisch klug agiert hat. Trotz Gegenwind kann ich die Geschwindigkeit steigern und überhole in diesem Abschnitte fast 200 Athleten. Ich habe von den paar Radfahrern die mich zu Beginn überholt haben wirklich jeden wieder eingesammelt — ein geiles Gefühl. Mit einer kontrollierten Fahrweise erreiche ich nach 180 km und ca. 1500 Höhenmetern wieder die Wechselzone.

Die ersten Schritte nach 05:13 Std auf dem Rad fallen mir extrem schwer. Der Laufstil ähnelt einem Entengang. Im Training habe ich jedoch gelernt den neuronalen Schmerz zu ertragen und einfach weiter zu laufen. Die Gedanken an den bevorstehenden Marathon versuche ich zumindest erstmal zu verdrängen.

Die 42,2 km sind in 4,5 Runden zu absolvieren und verlaufen zum größten Teil direkt am Meer. Ein Panorama was man zumindest auf den ersten 20 Km noch teilweise genießen kann. Danach beginnt der eigentliche Ironman. Der Energiemangel schlägt voll durch und ich habe größte Mühe das Tempo noch zu halten. Vielleicht waren die ersten zwei Kilometer mit einer Pace von 4:04 doch etwas sportlich ... Zwei Drittel der Teilnehmer "wandern" ab diesem Zeitpunkt auf der Strecke. Die Betreuer sind in diesem Rennabschnitt am wichtigsten. Sie bauen mich immer wieder auf und motivieren mich weiter, weiter und weiter zu laufen. Auf den letzten 7 km fühlt sich dann jeder Schritt an wie ein Schlag mit dem Hammer auf den Oberschenkel. Ich schalte den Kopf komplett auf Autopilot und sehne das Ziel herbei. Angekommen auf den letzten Metern bis ins Ziel beginne zu realisieren, dass ich es tatsächlich geschafft hat alle Schmerzen und Gedanken ans Aufgeben zu überwinden. Die Gefühle beim Zieleinlauf sind so unbeschreiblich intensiv, das ich noch mehrere Monate danach morgens mit einem gesunden Grinsen aufwachen werde : -DDDDDDD

Dank der vielen gedrückten Daumen absolvierte ich den Marathon in einer Zeit von 3:19 Std fast ohne Einbruch und kam nach insgesamt 9:45 Std. ins Ziel. Mit Platz 122 (AK Pl. 20) ist das mein bisher bestes Ergebnis bei einem Ironman. Die Saison werde ich nun traditionell mit nem Bier unter Palmen und etwas Sport beim Marathon in Valencia ausklingen lassen. Prost